bat ZUR ÖKOLOGIE VON FLEDERMÄUSEN IN MITTELEUROPÄISCHEN STÄDTEN bat


Inhaltsverz. Einleit. Grundl. Flederm. in Städten Stadtbewohner? Schutz Abstract Literat.


Kapitel 3 Fledermäuse in mitteleuropäischen Städten -Fortsetz.-

Die Städte Die Fledermausarten in den Städten Einige Fledermausarten im Umland der Städte Bestandsentwicklung einiger Fledermausarten in den Städten

Die Fledermausarten in den Städten -Fortsetz.-


Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus)

Abbildung Allgemeine Verbreitung Vorkommen in Städten Quartiere Jagdraum Mobilität Invasionen Tabelle

Allgemeine Verbreitung (siehe Abbildung (5KB) nach [CORBET & HARRIS 1991])

Die kleinste Fledermaus Europas, die Zwergfledermaus, ist im nördlichen Europa bis auf die nördlichen Teile Skandinaviens, im Süden bis nach Spanien (teilweise in Nordafrika) und im Südosten bis zum Kaukasus, Balkan und darüber hinaus verbreitet und bewohnt dort laut STEBBINGS [1977] meist "urban areas", was in menschliche Siedlungen übersetzt werden kann.

Vorkommen in Städten

In fast allen vorliegenden Stadtuntersuchungen (Tabelle 1) treten sie als ganzjährig häufige Fledermausart in den Städten auf. Lediglich in zwei Städten (Prag und Poznañ) finden sich keine Zwergfledermäuse. Ein Grund für das dortige Fehlen könnte in Poznañ im einseitigen Untersuchen von großen, eventuell feuchten Winterquartieren (z.B. Bunkeranlagen) liegen. In dieser Art von Quartieren werden die Tiere im Winter in Berlin gleichermaßen selten nachgewiesen. Andere Gründe sind mir nicht bekannt.

Nach der Breitflügelfledermaus ist die Zwergfledermaus die häufigste Fledermausart im bebauten Stadtgebiet Berlins [KLAWITTER & PALLUCH 1987]. HAENSEL [1992a] plaziert die kleinste einheimische Fledermausart sogar vor allen anderen Arten im Ostteil des Stadtbereichs.

Bereits EFFELDT [1873] bemerkte, daß Quartiere der Zwergfledermaus an und in Gebäuden inmitten der Stadt liegen. Aus den letzen Jahrzehnten liegen Nachweise aus dem gesamten Bereich Berlins vor [HAENSEL 1992a und KLAWITTER & PALLUCH 1987]. Die meisten Nachweise ergaben sich durch sogenannte Invasionen, plötzliche invasionsartige Einflüge in Wohnungen oder öffentliche Gebäude, die gehäuft im Ostteil der Stadt auftreten [LEHNERT & KALLASCH 1995]. Für Sommer- und Winter-Einzelnachweise, Invasionsmeldungen, Paarungsquartiere und Wochenstuben existieren die meisten Nachweise aus stark bebauten Bezirken im Ostteil der Stadt mit großem Altbaubestand (im schlechten Bauzustand) und relativ hohem Grünanteil [HAENSEL 1992a].

In Wien [SPITZENBERGER 1990], Göttingen [HILDENHAGEN & VOWINKEL 1986], Wiesbaden [GODMANN 1992] und London [MICKLEBURGH 1987b] finden sich die Tiere im gesamten Stadtgebiet und zählen dort wie auch in Berlin, Hamburg [GROSS 1986/87], Brno [GAISLER & BAUEROVA 1985/86] und Bayreuth [ARNOLD & SACHTELEBEN 1993] zu den häufigsten Fledermausarten. Ähnlich wie in Berlin zeigt sich dabei in Göttingen [HILDENHAGEN & VOWINKEL 1986] die Bevorzugung von Stadtteilen mit älterer Bausubstanz, die vor 1948 entstand. GAISLER & BAUEROVA [1985/86] benennen als Hauptvorkommen der Zwergfledermäuse in Brno "den zentralen Teil der Stadt". Nach HILDENHAGEN & VOWINKEL [1986] und JANSEN [1993] sind in Göttingen und Kassel auch Gewässer und Baumbestände als Jagdraum wichtige Standortfaktoren bei der Quartierwahl.

Quartiere

Es zeigen fast alle Veröffentlichungen zum Vorkommen der Zwergfledermäuse, daß diese Tiere in kleinen Dörfern bis zu Großstädten ganzjährig Quartier in Gebäuden beziehen, aber auch an alleinstehenden menschlichen Bauwerken, u.a. sogar Autobahnbrücken [KOETTNITZ & HEUSER 1994], zu finden sind. Der Begriff der menschlichen Siedlung, wie er von STEBBINGS [1977] genannt wird, paßt insofern nur, wenn er von Menschen gestaltete Bauwerke beschreibt.

Den Winter verbringen die Tiere an relativ trockenen, oberirdischen Teilen in Spalten von Gebäuden. SCHOBER & GRIMMBERGER [1987] benennen auch Keller als Winterquartiere.

Sommerkolonien, die auch in Berlin immer an und in Gebäuden zu finden sind, konnten im Westteil der Stadt bisher nur in den Außenbezirken nachgewiesen werden [KLAWITTER 1976b]. Grund für die größeren Sommervorkommen im Ostteil Berlins dürften wohl in der durchschnittlich niedrigeren Güte des Bauzustands im Vergleich zum Westteil zu suchen sein: Gebäude mit neu verputzten Wänden und gut abgedichteten Dächern bieten kaum Quartiermöglichkeiten für Zwergfledermäuse [LEHNERT & KALLASCH 1995].

Zwergfledermäuse nutzen im Sommer, ähnlich wie im Winter, enge Spalten und kleine Hohlräume in und an Gebäuden, z.B. hinter Holz- und Eternitverkleidungen, Mauerspalten, unter Flachdächern und hinter Fensterläden. Teilweise findet man die Tiere auch an Neubauten. Nist- und Fledermauskästen werden selten benutzt [KLAWITTER 1976b]. Auch Wochenstuben finden in Spaltenquartieren Platz [ARNOLD & SACHTELEBEN 1993]. Da die Tiere beidseitigen Körperkontakt in ihren Quartieren bevorzugen, kann sich diese zu den kleinsten Säugetieren zählende Art in sehr kleinen Spaltenöffnungen verkriechen, wobei ihr bis zu 1 bis 2 cm breite Durchschlupföffnungen bereits genügen [GÜTTINGER et al. 1988].

Infolge ihrer geringen Größe (36-51mm Rumpflänge nach SCHOBER & GRIMMBERGER [1987]) mit Bevorzugung entsprechend kleiner Spaltenquartiere und ihres Nahrungsspektrums, das kleine Fluginsekten (Diptera und Lepidoptera) umfaßt, sind Zwergfledermäuse von den Fledermausarten in Mitteleuropa am besten an die Stadt angepaßt.

Jagdraum

Jagende Zwergfledermäuse erbeuten ihre Nahrung im Flug. Selten werden sie dabei in Wäldern beobachtet, meist jagen sie an Gewässern, an Waldrändern und auch in innerstädtischen Parkanlagen [LEHNERT et al. 1993]. Gebäude mit kleinen Grünflächen, Gärten, Teiche, und insektenanziehende Beleuchtungskörper dienen besonders in der Stadt als Jagdraum. Städter berichten,

"... daß ihnen oft kleine Fledermäuse auffallen, die die Straßen entlang (häufig an den Lampen) oder in den Hinterhöfen fliegen." [HAENSEL 1992a]

Jagende Zwergfledermäuse an Straßenlaternen werden auch von GODMANN [1992] in Wiesbaden und ARNOLD & SACHTELEBEN [1993] in Bayreuth beschrieben.

Mobilität

"In den Altbaugebieten [Berlins] ... , das wird durch die Nachweis-Konzentration unzweifelhaft belegt, leben die Zwergfledermäuse das ganze Jahr hindurch in hoher Bestandsdichte. Die dort vorhandene Population hat sich an die urbane Struktur hundertprozentig angepaßt, und die Quartiervielfalt bietet die Grundlage für das ganzjährige Vorhandensein ...

Die ... Zwergfledermäuse ... verlassen ihr Territorium möglicherweise überhaupt nicht mehr, bilden eine eigenständige, stationäre Subpopulation ... Die Eigenständigkeit des Vorkommens drückt sich darüber hinaus im abweichenden 'Wanderverhalten' aus ..." [HAENSEL 1992a]

So lassen sich keine saisonbedingten Quartierwechsel zum größeren, außerhalb Berlins gelegenen Winterquartier "Rüdersdorfer Kalkstollen" über Wiederfänge von beringten Tieren nachweisen, obwohl diese Beziehung zwischen den Quartieren aufgrund der Wanderfähigkeit der Zwergfledermäuse zu erwarten wäre.

"[Auch] das Quartier-Erkundungsverhalten, das sich in den 'Invasionen' ... im Auflösestadium der Wochenstuben ausdrückt, spricht außerdem für das ganzjährige Vorkommen der Art in den o.g. Stadtbezirken [Berlins]." [HAENSEL 1992a]

Weitere Aussagen darüber, inwiefern Zwergfledermauspopulationen in Großstädten ganzjährig "stationäre Subpopulationen" bilden, die sich unabhängig von anderen Zwergfledermauspopulationen in der Stadt fortpflanzen, wie es von HAENSEL [1992a] für Berlin beschrieben wird, finden sich bisher nicht. Da aber gerade Großstädte, zumindest was die Quartiere anbelangt, alle Möglichkeiten für Zwergfledermäuse bieten, kann man entsprechende Zwergfledermauspopulationen in den Zentren der Großstädte erwarten. Die Voraussetzungen, kleine Gewässer, Grünanlagen und Parks, die den Zwergfledermäusen als Jagdräume dienen, sind in vielen Städten, als Erholungsgebiete für die Menschen angelegt, vorhanden.

In allen Großstädten kann davon ausgegangen werden, daß Zwergfledermäuse zumindest halbjährig nur die in der Stadt angebotenen Ressourcen nutzen, da die Tiere relativ ortstreu sind. So werden die Entfernungen, die für die Jagd vom Quartier aus zurückgelegt werden, von SPEAKMAN et al. [1991] mit 2,5 bis 3km angegeben. Beim Wechsel vom Sommer- zum Winterquartier legen die Tiere meist nur bis zu 15km, seltener bis zu 50km zurück [SCHOBER & GRIMMBERGER 1987]. Wenige Werte aus der Literatur über sehr große Distanzen (bis zu 1160km) wurden bisher meist als unerklärbare Ausnahmeerscheinung beschrieben. SCHOBER & GRIMMBERGER [1987] kommen zu dem Schluß, daß

"... Pipistrellus pipistrellus unter Berücksichtigung aller bisherigen Ergebnisse als eine ortsgebundene, aber wanderfähige Art [anzusehen ist] ... Die Zwergfledermaus ist, wie ihre weite Verbreitung und das Winterschlafverhalten ausweisen, eine euryöke Art mit relativ großer Toleranz gegenüber Veränderungen ökologischer Faktoren, die bei anderen Arten für Wanderungen mit ausschlaggebend sein könnten."

Invasionen

Invasionen - Einflüge von Gruppen und auch Einzeltieren der Fledermäuse in Gebäude (u.a. in Wohnzimmer an Vorhänge, hinter Bilder und in Fensterrahmen) - treten in Berlin laut HAENSEL [1992a] einerseits von Juli/August bis Anfang September (Sommerinvasionen) und andererseits an sehr kalten Tagen in harten Wintern auf. Invasionsmeldungen aus den Wintermonaten werden so interpretiert, daß durch starke Kälte aufgeweckte Zwergfledermäuse (teilweise auch andere Arten) auf der Suche nach neuen, besser isolierten Quartieren sind.

Das Phänomen der Invasionen, das in solch großem Umfang nur bei Zwergfledermäusen bekannt ist, wurde laut SACHTELEBEN [1991] von vielen Autoren beschrieben. Auch in den mir vorliegenden Untersuchungen der Städte wird das Phänomen z.B. in Brno von GAISLER & BAUEROVA [1985/86] beschrieben. GODMANN [1995] wertet Daten aus 53 Städten und Ortschaften aus: Invasionen treten oft in Innenstädten auf, besonders ältere bzw. beschädigte Gebäude, wie im Falle der von GRUMMT & HAENSEL [1966] beschriebenen im 2.Weltkrieg beschädigten Häuser in Berlin, werden von einem Übergewicht juveniler Zwergfledermäuse angeflogen. Die Autoren SACHTELEBEN [1991], GODMANN [1995] und GRUMMT & HAENSEL [1966] betrachten die spätsommerlichen Invasionen, die schwerpunktmäßig Ende August Anfang September auftreten. Diese Einflüge werden fast ausnahmslos - wie in Berlin - bei einjährigen Fledermäusen festgestellt [SACHTELEBEN 1991], wobei insofern also Tiere einfliegen, die gerade ihre Wochenstuben verlassen haben [GRUMMT & HAENSEL 1966]. Die Bedeutung der Invasionen wird von SACHTELEBEN [1991] und GODMANN [1995] diskutiert, wobei bisher keine weiteren klaren Aussagen möglich sind:

"Die Gründe für das Verhalten konnten noch nicht restlos geklärt werden, doch anscheinend stehen sie in engem Zusammenhang mit dem 'Kennenlernen' von potentiellen Winterquartieren, der räumlichen Orientierung, der Paarung und der Suche nach Zwischenquartieren." [GODMANN 1995]

Blättern: Großer Abendsegler (Nyctalus noctula)zurück vorBraunes Langohr (Plecotus auritus)


Großer Abendsegler (Nyctalus noctula)
Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus)
Braunes Langohr (Plecotus auritus)
Wasserfledermaus (Myotis daubentoni)
Großes Mausohr (Myotis myotis)
Graues Langohr (Plecotus austriacus)
Zweifarbfledermaus (Vespertilio murinus)
Breitflügelfledermaus (Eptesicus serotinus)
Rauhhautfledermaus (Pipistrellus nathusii)
Weitere 12 Fledermausarten

Inhaltsverz. Einleit. Grundl. Flederm. in Städten Stadtbewohner? Schutz Abstract Literat.


©verfaßt von Tiemo Redel -Germany (Berlin)- und zuletzt verändert am am 21.Oktober 1996

t at redel-online.dee-mail . . . meine Startseitehome . . . Freie Universität BerlinFU-Logo